Bauen im Bestand: Ein Altbau wird erweitert.
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Nachhaltiges Bauen im Bestand: Ein Weg zur Ressourcenschonung

Schon gewusst? Deutschland produziert 230,9 Millionen Tonnen Bau- und Abbruchabfälle. Das entspricht ca. 55 % des gesamten Abfalls (Statistisches Bundesamt (Destatis) 2022). Auch der Verbrauch an mineralischen Ressourcen ist im Bauwesen enorm. Bauen im Bestand soll dazu beitragen, diesen Verbrauch zu reduzieren. Wie? Das erklärt der Architekt Peter Cachola Schmal in diesem Artikel.

Kathleen Eder
von Kathleen Eder  in München, aktualisiert 20.07.2023
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Bauen im Bestand – was hat es damit auf sich?

Beim Bauen im Bestand geht es um die Entwicklung und Veränderung von bereits bestehenden Gebäuden und Bausubstanzen, anstatt neue Gebäude von Grund auf zu errichten. Das kann eine Instandhaltung, Rekonstruktion/Restaurierung, Modernisierung oder energetische Sanierung sein. Bestandsbau wird vor allem aufgrund mangelnder Baugrundstücke und bei erhaltungswerten (denkmalgeschützten) Gebäuden betrieben. Es ist somit ein Weg zur Ressourcenschonung, da überwiegend bereits vorhandene Materialien genutzt werden.

Sechs Fragen an den Architekten Peter Cachola Schmal

Peter Cachola Schmal als Gast im Interview
Peter Cachola Schmal ist ausgebildeter Architekt und Direktor des Deutschen Architekturmuseums (DAM) seit 2006. Er publiziert, kuratiert, hält Vorträge und ist in etlichen Preisgerichten sowie internationalen Organisationen. Das DAM hat 2022 die Ausstellung „Nicht Neues. Besser Bauen im Bestand“ gezeigt, die demnächst wandern wird. Wir haben ihm sechs Fragen gestellt:

1. Vor welchen Herausforderungen steht die Bauwirtschaft?

Die Bauwirtschaft, also die Errichtung und der Betrieb von Hochbauten ist verantwortlich für 40 % der CO2-Emissionen in Deutschland. Das liegt genauer am Zement im Beton sowie Kalk und Gips, die unter sehr hohen Temperaturen und mit einer großen Menge an Energie hergestellt werden müssen. Beim Recycling-Beton mit geschreddertem Beton anstatt natürlichem Kies braucht man sogar noch mehr Zement, um ihn gleichwertig zum Kleben zu bringen. Der weltweite Flugverkehr ist dagegen nur für 3 % verantwortlich. Außerdem verbraucht die Bauwirtschaft fast die gesamten lokalen mineralischen Ressourcen (Steine, Sand und Kies) und ist wegen der großen Menge an Bau- und Abbruchabfällen verantwortlich für über 50 % des gesamten deutschen Müllaufkommens.

Wir müssen diesen großen Sektor also sehr schnell transformieren, aufgrund seiner großen Hebelwirkung. Vor diesem Hintergrund muss man auch derzeit die erregten Debatten um die Notwendigkeit und Schnelligkeit bei der Implementierung des Heizungsgesetzes sehen.

2. Warum ist das Thema Bauen im Bestand heutzutage so wichtig?

Wenn ein Bauwerk gar nicht erst abgerissen wird, weil es umgebaut werden kann und daher der sogenannte „Ersatzneubau“ gar nicht erst entsteht, können schlagartig sehr große Mengen CO2 eingespart werden. Bei heutigen Bauwerken entstehen rund die Hälfte aller CO2-Emissionen während der Bauzeit, die zweite Hälfte im Verlauf der nächsten 50 Jahre Betrieb. In künftigen, besser gedämmten Bauten wird dieses Verhältnis sogar bis zu 75 % zu 25 % betragen. Das heißt, die Frage des Abbruchs wird sogar noch wichtiger werden.

3. Worin liegen die Vorteile beim Bauen im Bestand?

Bauen im Bestand - ein Blick auf eine Häuserfront
Man kann nicht nur CO2 sparen, sondern auch sehr viel Zeit für Abbruch und Neubau und damit auch sehr viel Geld. Allerdings muss der Altbau einigermaßen zum Neubauprogramm passen, was seine Tragfähigkeit, seine Dimensionen sowie seine Materialien angeht. Und die Bauherrenschaft sowie die Architekten müssen sich nicht nur auf eventuell kostspielige Überraschungen einstellen, sondern auch eine gewisse Flexibilität in Bezug auf ihr Raumprogramm bewahren. Nicht alles ist in jedem Altbau unterzubringen.

4. Gibt es bereits heute Bauprojekte, bei denen „Bauen im Bestand“ sehr gut funktioniert hat?

Eigentlich wurde von jeher „weitergebaut“, aus ganz normalen finanziellen Erwägungen und aufgrund der Knappheit von Materialien und Mitteln. Erst die Industrialisierung und die daraus entstehende moderne Bauwirtschaft hat in der Nachkriegszeit den Primat von Abriss und Neubau befördert. Außerdem haben gestiegene Ansprüche, rechtliche Forderungen und daraus folgende verschärfte Normen den Umbau allgemein in Frage gestellt. Wir haben in den letzten Jahrzehnten überall den erfolgreichen Umbau von etlichen industriellen Bauwerken, wie Fabriketagen in Kultureinrichtungen oder zu Büros oder Wohnlofts sehen können. Nun müssen die weniger expressiven und massiven Nachkriegsbauten umgebaut werden. Schöne aktuelle Beispiele sind die Bundesgeschäftsstelle des Deutschen Alpenvereins in München, ein mehrgeschossiges 1970er Bürogebäude, oder ein Wohnhochhaus aus den 1970er Jahren am Pforzheimer Bahnhof, die beide transformiert und aufgestockt wurden. Im Einfamilienhausbereich hat der Kölner Architekt Nikolaus Bienefeld hervorragende Beispiele realisiert, wie den Umbau eines historischen Vierkantgehöfts.

5. Welche Rolle spielen Neubauten in der Zukunft noch?

Spielen Neubauten in der Zukunft noch eine Rolle?
Weiterhin eine große Rolle. Nicht alles wird man umbauen und weiternutzen können, nicht alle Bauaufgaben passen in den Bestand, nicht alle Bestände eignen sich für eine Transformation. Außerdem sind die gesamten Tiefbaumaßnahmen zu betrachten, die Verkehrsbauwerke wie Autobahnen und die Infrastrukturbauwerke. Sie werden weiterhin in Beton gebaut werden müssen, da kommen alternative Baustoffe wie Holz oder Mauerwerk nicht in Betracht.

In anderen Gegenden der Welt, deren Bevölkerung weiterhin dynamisch wächst wie in Subsahara Afrika oder Bangladesch und Indien muss weiterhin neu gebaut werden, weil ein Bestand entweder gar nicht erst vorhanden ist oder viel zu wenig Dichte ermöglicht. In Südostasien, Korea und China wird grundsätzlich alles abgerissen. Tabula Rasa ist die Standardlösung, Bestand und Historie haben als Konzept in konfuzianischen Kulturen keinerlei Bedeutung – da fällt das Umdenken noch schwerer.

Wenn wir also innovative Lösungen finden - beispielsweise in tauglichen Ersatzstoffen für Zement im Beton, für Gipskartonplatten oder Kalksandsteine – können diese auch in den weltweiten Neubauländern einen großen Beitrag zur CO2-Reduktion leisten.

6. Was ist mit Bauen im Bestand mit bestimmten Materialien möglich hinsichtlich energetischer Auswirkungen?

Oft werden heute in der Forschung zum Bauen im Bestand historische Materialien wiederentdeckt, zum Beispiel der Stampflehm, der selbstverständlich in unseren Breiten bei landwirtschaftlichen Bauten und als Ausfachung in den Fachwerkhäusern und weit verbreitet in südlicheren Regionen der Welt verwendet wird, weil er lokal verfügbar und günstig ist, und bauphysikalisch große Vorteile aufweist. Wände aus Stampflehm geben dem Gebäude Speichermasse, dienen als Heiz- beziehungsweise Kühlwände und regulieren die Feuchtigkeit, weil sie diese sehr schnell aufnehmen und wieder abgeben können. Martin Rauch aus Österreich mit seiner Firma „Lehm Ton Erde“ ist ein solcher forschender Pionier.

Bestandsmaterialien im Einsatz: Praktische Tipps für den eigenen Bau

Bei komplexen Bauprojekten ist es empfehlenswert, Experten hinzuzuziehen, die das Bestandsmaterial und das Vorgehen einschätzen. Darüber hinaus kann es sich lohnen, nachhaltige Baustoffe in Erwägung zu ziehen. Haben Sie beispielsweise schon mal an Hanf als Baumaterial gedacht?

Anbieter von recycelten und umweltfreundlichen Baumaterialien

Hier finden Sie eine kleine Auswahl an Anbietern, die Ihnen beim Vorhaben "Bauen im Bestand" helfen können:
  • Leipfinger Bader: Das Unternehmen bietet verschiedene Ziegelsysteme für einen nachhaltigen Wohn- und Objektbau an.
  • Restado: Ein digitaler Marktplatz für den Kauf und Verkauf von überschüssigen und rückgebauten Baumaterialien, wie Recycling-Beton, Dachziegel, Fliesen und Steine bis hin zu Altholzbrettern.
  • Hellerwald: Die Firma Hellerwald verkauft und liefert Recycling-Baumaterialien wie RC-Sand, RC-Gemisch oder RC-Frostschutz etc.. Außerdem kann alter Schutt an die Firma geliefert werden, die diesen sinnvoll wiederverwendet.
  • RecPro: RecPro ist der Spezialist für Recycling-Kunststoffprodukte, dazu gehören Terassen- und Stegbohlen, Balken/Schwellen, Zäune etc.
  • Kellerer ZMK Ziegelsysteme: Das Unternehmen produziert nachhaltige Ziegel, unter anderem wiederverwertbare und nachhaltige hergestellte Außenwandziegel.
Doch nicht nur beim Bau spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle. Auch beim Wohnen selbst können Sie Ressourcen schonen, wie mit Upcycling-Projekten oder dem Sparen von Wasser und Strom.

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